1912 – Marcel Duchamp in München

Ein Beitrag zur Geschichte der Künstlerreise

Vortrag und Workshop von GFK-Fellow Prof. Dr. Herbert Molderings
08.07.2010 (Vortrag)/09.07.2010 (Workshop), Institut für Kunstgeschichte

Auch wenn eine systematische Untersuchung der Geschichte der künstlerischen Reisepraxis bis heute aussteht, sind Künstlerreisen immer wieder zum Gegenstand der kunsthistorischen Forschung geworden. In jüngster Zeit haben vor allem die Europa und der modernen industriellen Zivilisation den Rücken kehrenden Afrikareisen der Künstler zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein besonderes Interesse geweckt. Reisen von Künstlern innerhalb Europas haben in der Forschung bislang hingegen kaum Beachtung gefunden. Und dennoch konnten diese im selben Maße zu einer künstlerischen Selbst- beziehungsweise Neufindung beitragen wie die Begegnung mit der exotischen Welt des Orients.

1912, also ungefähr zur selben Zeit, als Matisse nach Marokko, Slevogt nach Ägypten, Klee, Macke und Moilliet nach Tunesien aufbrachen, reiste Marcel Duchamp für drei Monate nach München, eine Reise, die er rückblickend als „the scene of my complete liberation“ bezeichnete. Auf der Grundlage genauer Analysen der wenigen erhaltenen Quellen und der von Duchamp in München geschaffenen Zeichnungen und Gemälde sowie der in diesen verarbeiteten Bilderfahrungen wird in dem Vortrag die These vertreten, dass der geistige Ertrag der innereuropäischen Reise für Duchamp ein doppelter war: Er bestand nicht nur in der Erfahrung der modernen technischen Ding- und Bildwelten auf der Bayerischen Gewerbeschau und im „Deutschen Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik“, sondern ebenso in der Begegnung mit einer bereits zur Fremde gewordenen Geschichte der klassischen europäischen Malerei. Die Auflösung des scheinbaren Widerspruchs dieser divergierenden kulturellen Erfahrungen befindet sich am Ursprung seiner neuen revolutionären Kunst.

Die Teilnehmerzahl des Workshops ist begrenzt, es wird daher um eine Anmeldung per e-mail an das Institutssekretariat ( granass@uni-mainz.de) gebeten.

Organisatorische Informationen

Vortrag: 08.07.2010, Institut für Kunstgeschichte, Bingerstr. 26, Hörsaal (4. Stock), 18:00 Uhr

Workshop: 09.07.2010 , Institut für Kunstgeschichte, Übungsraum, 14-16 Uhr (Anmeldung unter: granass@uni-mainz.de)

Zur Vorbereitung auf den Workshop wird folgende Literatur empfohlen:

o Thierry de Duve: Pikturaler Nominalismus. Marcel Duchamp. Die Malerei und die Moderne, München 1987.

o Linda D. Henderson: Duchamp in Context. Science and Technology in the Large Glass and related Works, Princeton 1998. W. Bowdoin Davies, Jr.: Duchamp: Domestic Patterns, Covers, and Threads, New York 2002.

o Hermann Arnhold (Hg.): Orte der Sehnsucht. Mit Künstlern auf Reisen, Münster 2008.

o Herbert Molderings: The Munich Sources behind Duchamp's Large Glass, in: Fuhrmeister, Kohle, Thielemans (Hg.): American Artists in Munich, Berlin/München 2009, S. 225-246.